Camillo Gamnitzer, Die Schwalbe 2021
Position: 1R1R4/1Q3p2/3N1Pbn/2k1Kp1p/1N3P2/2rp4/8/b7 w - - 0 1
 
selfmate in 5

Black: f7, Bg6, Nh6, Kc5, f5, h5, Rc3, d3, Ba1
White: Rb8, Rd8, Qb7, Nd6, f6, Ke5, Nb4, f4

1. Da6!? dr. kurz (2. Dc4+ Txc4#) T~+! 2. Dxa1...
Mit sL auf b2 hingegen würde 2. Da6 den Weg zum Hauptspielfinale (sh. Lösung) ebnen. Allerdings: die Herauslenkung des Batteriehintersteins ist nur unter Preisgabe der Option Da6 möglich. Der Weiße muss daher
1. - Lb2 so erzwingen, dass ihm anschließend Ersatz für den verwirkten Folgeangriff zuwächst...

1. De7? dr. im Wesentlichen wie der Schlüssel; Lb2!

1. Dd7!! dr. (2. De6!! [3. Dc4+ Txc4#] fxe6 3. Sa6+! Kc6
4. Tdc8+ Kd7 5. Sc5+! Txc5#)
1. - Lb2, Fluchtvorbereitung
Achtung:
2. Da4!! = der durch bedachte Schlüsselwahl besorgte Ersatz für 2. Da6, jedoch entschieden anspruchsvoller drohend
(3. Tbc8+! Kb6 4. Db5+ Ka7 5. Dc5+! Txc5#)
2. - La3/Lc1, quasi dresdnerisch, Batterieauflösung anstatt Batterieschuss!
Das Finale enthüllt den Folgeschaden der Fluchtparade:
3. Sxd3+! Txd3, ohne Schachgebot, d. h. ohne die für Weiß fatalen "Zwangsinterferenzen" 4. Txb2... bzw. 4. Dd4+...
4. Se4+ fxe4
5. Td5+! Txd5#!
Überraschungsdirektmatt durch den Ex-Batterievorderstein.

Total verblüffend! (EZ)

Dem Versuch, das Erstdrohspiel alternativ einzuleiten,
1. De4?! (2. Dc4+ Txc4#) fxe4? 2. Sa6+ usw., wird wehrhaft begegnet: 1. - Tc4+! 2. Dd4+ Txd4!

Hartmut Laue: Klingt paradox, daß sowohl die Batterie-Nutzung als auch der Batterie-Abbau verteidigt und die Nutzung die gute, der Abbau die schlechte Verteidigung ist!
In der Nutzung liegt also eine Motivinversion vor.

Aber wie sieht es mit der "neudeutschen Analyse" aus?
1. Dd7! bewirkt nicht nur die Lenkung 1. - Lb2, sondern stellt zugleich die wD für die nachfolgende Nutzung durch 2. Da4! bereit. Man könnte die mit 2. Da4! verbundene Drohung gar nicht ohne die vorausgehende, sie erfolgreich machende Lenkung des sL nach b2 probieren: Es gibt dazu kein thematisches Probespiel und damit keine klare Planstruktur.
Soweit der schulmäßige Befund, der über der Aufgabe den neudeutschen Stab brechen würde. Aber stimmt das wirklich so ohne weiteres?
Ganz ungewohnt, findet hier auf Seite des Weißen ein Austausch statt. Der Defekt im Schlüssel, der in dem Verlust der Zugmöglichkeit der wD nach a6 besteht, wird kompensiert durch die Entstehung einer neuen Drohung (2. Da4! anstelle von 2. Da6).
Auch wenn eine solche Struktur im Neudeutschen keine Tradition hat, oder gerade weil(!), ist sie in meinen Augen wertvoll: Ist das nicht etwas wirklich Originelles? Wir sind es gewohnt, immer von schwarzen Ersatzverteidigungen zu sprechen. Aber liegt hier nicht ein weißer Ersatzangriff vor? Ich empfinde diesen Gedanken als höchst spannend und halte den Damenzug nach a6 daher mitnichten für thematisch irrelevant! Ohne ihn wäre der Schlüssel ja wirklich nur zurechtstellend und von "Ersatz" (wessen??) auf der Seite des Weißen gar keine Rede...

Solche Thematik scheint eine neue Seite im Neudeutschen aufzuschlagen, indem der Ersatz bei Weiß, nicht bei Schwarz stattfindet. Aber nur, wer bereit ist, diese Sichtweise anzunehmen, wird hier auch zustimmen.